Liebesbrief aus dem Pantanal
Lieber Lenny
Was hatten wir für eine schöne Zeit zusammen im Westen von Brasilien! Als wir uns das erste Mal begegnet sind, standen wir auf dem Camping noch relativ weit auseinander. Zum Glück verstanden sich unsere Eltern auf Anhieb gut miteinander und so ging es gerade mal eine halbe Stunde, bis ich dich etwas genauer anschauen konnte. Dein zweifarbiger Anzug, deine auf Hochglanz polierten Finken, dein männliches Auftreten – ach du gefielst mir einfach gut. Wenn ich an den Tag zurückdenke, kommen mir immer die Capybaras in den Sinn, die nicht weit von uns genüsslich auf der Wiese sassen und Gras mampften.
Dein Papa und mein Papa fanden schnell heraus, dass alle in die gleiche Richtung wollten. Damals verstand ich aber noch nicht genau, was sie mit Ponton, Wasser und so meinten. Das war wohl auch besser so. Tags darauf trennten sich unsere Wege jedoch schon wieder, du musstest mit deinen Eltern Claudia und Martin weiterziehen. Die Überraschung war gross, als wir am Tag darauf nach Bonito reinfuhren und ich dich wiedersah – unsere Eltern hatten das Wiedersehen geplant, uns aber nichts davon gesagt. Die folgenden Tage waren gemütlich entspannt. Wir hatten gute Diskussionen über Autorassen – ist jetzt der deutsche Volkswagen Syncro oder der englische Land Rover Defender das praktischere Reisemobil. Wir beobachteten die Aras (oder doch eher sie uns?) und waren entzückt über die Ameisenbären, wie sie einfach so neben uns über den Camping zogen auf der Suche nach Nahrung.
Wieder hiess es Abschied nehmen, aber nicht für lange. Meine Eltern wollten noch eine Grotte besuchen (na ja, sie waren dann nicht wirklich überwältigt davon) und mich wieder mal artgerecht über staubige Lehmpisten jagen. Zum Dank für mein artiges Benehmen besuchten sie mit mir am Tag darauf eine schöne Pousada, wo ich von zwei stolzen Emas bewundert wurde und sich duzende Hyazinth-Aras über mir in den Bäumen vergnügten. Das war ein schöner Platz, auch wenn du mir schon fehltest…
Als wir uns in der Pousada Aguapé wiedersahen schwärmten deine Eltern vom Ozelot, welches sie schon zwei Nächte sahen und meine Eltern schwärmten von den schönen Aras – leider kamen an diesem Abend weder Papageien noch Grosskatzen vorbei. Ich freute mich aber schon auf die Runde durch den südlichen Teil des Pantanal-Nationalparks. Zum ersten Mal in meinem Leben fuhr ich zwischen Kaimanen durch, überquerte mit dir duzende morsche Holzbrücken und schlief neben dir unter Millionen von Sternen – was hab ich für ein schönes Leben.
Ich merkte aber auch, dass unsere Eltern etwas unter Druck waren und sie doch relativ zügig Richtung Corumbá hochwollten. Dort kam ich das erste Mal ins stutzen, als wir direkt in den Hafen fuhren. Unsere Mamas und Papas wirkten etwas ulkig, als sie mit Spanisch, Englisch, Händen und Füssen mit diesem Herrn auf dem Kutter sprachen, der nur Portugiesisch verstand. Irgendwie war die Stimmung danach etwas betrübt. Mein Papa sagte mir nur, dass es eineinhalb Tage Verspätung gebe und wir solange hier in der Stadt verweilen würden. Naja, nicht fahren zu müssen und einfach nur neben dir stehen zu dürfen war mir auch recht. Als es danach schon wieder in den Hafen ging, wurde mir das erste Mal etwas mulmig auf dieser Reise… Und schon wieder diskutierten sie mit diesem Mann und schon wieder vertröstete er sie. Diese Nacht verbrachten wir schlussendlich im Hafen und morgens um fünf weckte mich plötzlich mein Papa und fuhr los. Es war noch dunkel und ich musste rückwärts über zwei schmale, knarzende Holzbalken auf das Schiff rauffahren! Es wäre ja noch gegangen, wenn es wirklich eine richtige Fähre gewesen wäre, aber das, das war ja ein Ponton, der sonst nur Kühe über den Fluss schippert!!! Es war schön, dich am Ufer zu sehen, wie du mir mit deinen hellen Augen geholfen hast, den Weg auf das Floss zu finden.
Eingezwängt zwischen rostigen Stahlbarrikaden und Kuhscheisse standen wir dann so nahe nebeneinander – und doch unfassbar weit auseinander.
Zuerst wollten die Leute auf diesem Schiff uns ja noch rundherum vollstellen mit allerlei Zeugs – zum Glück haben dann unsere Eltern etwas interveniert.
Kaum waren wir aus dem Hafen draussen, erlebte ich den romantischsten Sonnenaufgang auf meiner ganzen Reise. Wie schön ist doch das reisen mit dir zusammen über den Rio Paraguay, quer durch den Pantanal!
Schlussendlich fand auch meine Mama immer mehr Gefallen an dieser Flussfahrt – sie ist sonst nicht so der Kreuzfahrt-Typ. Da konnte sie die anderen Reisenden in ihren Hängematten beobachten, die besoffenen Gauchos, die nach einem wilden Wochenende wieder zurück auf ihre Fazendas mussten. Sie amüsierte sich über die winzige Küche und den lustigen Koch. Mir selber gefielen vor allem die vielen Tiere und die Abgeschiedenheit dort draussen – wie einfach und doch glücklich die Leute dort leben. Alle haben ein Boot, aber als Auto fühlte ich mich etwas deplatziert – zum Glück warst du, Lenny, immer bei mir.
Eigentlich meinte ich ja, die Brasilianer sind die grössten Festbrüder auf der ganzen Welt. Aber unsere Eltern waren ja noch lustiger drauf in ihren Stahlverschlägen. Sie nannten sich gegenseitig nur noch Knastis und feierten bis tief in die Nächte hinein – die einen sogar bis fast zum Morgengrauen. Was war das doch für eine lustige Zeit!
Nach drei Tagen sahen wir endlich wieder Land – Porto Jofre. Dieses Mal ging’s bei mir richtig flott aber als du dann an der Reihe warst, musste ich und mein Papa schon kurz leer schlucken. Es fehlte nicht viel und du wärst beim Abladen neben die Planken geraten und abgestürzt; Schluck. Zum Glück ging alles nochmals gut und wir beide konnten wieder den Sand unter den Rädern geniessen.
Unsere Eltern sprachen in den letzten Tagen öfters mal über einen Jaguar und dass sie dieses Tier gerne sehen würden. Schlussendlich dauerte es dann aber doch etwas länger, denn meinen Eltern ging es plötzlich hundselend. So hab ich die beiden auf der ganzen Reise noch nicht erlebt. Irgendetwas in ihrem Essen kann nicht so gesund gewesen sein. Da bin ich schon froh, dass wir beide hier in Südamerika bisher immer guten Sprit bekommen haben.
Als die beiden wieder munter waren, ging es auf die sagenumwobene Jaguar-Tour. Ach, wie freute ich mich. Einen ganzen Tag nur mit dir alleine, ohne dass unsere Eltern immer auf uns aufpassen!
Auch unseren Mamas und Papas gefiel der Tag, sie schwärmen ja schliesslich heute noch davon. Männliche und weibliche Jaguars, ein Tagschläfer, viele Kaimane, Vögel und sogar Jabir us haben sie gesehen. Belustigend fanden sie auch die anderen Touristen mit ihren gigantisch grossen Kameras und den zu knappen Bikinis…
Die anschliessende Fahrt mit dir durch den nördlichen Pantanal war auch ziemlich abenteuerlich – nicht einfach über sieben Brücken führte der Weg, sondern über mehr als hundert. Es war schon etwas komisch, als ich zwischen meinen Rädern runter zu den Kaimanen schauen konnte oder wenn ich beobachtete, wie sich die morschen Holzbalken unter deinem muskulösen Körper durchbogen und knarzten. Abends an diesem kleinen Fluss wurden wir sogar schön ausgeleuchtet und fotografiert – das Bild von uns beiden mit unseren Eltern gefällt mir supergut!
Meine Mama hat mir irgendwann verraten, dass wir zusammen noch den 1. August feiern würden. Ach, wie war ich happy! An diesem besonderen Tag wurde ich das erste Mal in meinem Leben geschmückt. Danke, dass du mir ein paar Schweizerfahnen ausgelehnt hast. Damit sah auch ich festlich gekleidet aus und alle Brasilianer erfreuten sich an uns…
Die lieben Brasilianer, was für ein entspanntes und zuvorkommendes Volk! Hier könnte ich noch lange herumcruisen und die Landschaft geniessen.
Leider haben sich unsere Wege nach dem Nationalfeiertag getrennt. Deine Eltern wollten mit dir Richtung südliche Küste und meine Eltern (vor allem mein Papa) quasseln die ganze Zeit etwas von Amazonas und Manaus. Ich habe keine Ahnung, was mich dort erwartet aber befürchte, dass ich wieder zum Schwimm-Landy werde!
Die Zeit mit dir im wunderschönen Pantanal ist ein Highlight auf meiner Reise durch Südamerika und ich hoffe, dass wir uns irgendwann, irgendwo auf dieser schönen Welt wiedersehen und gemeinsam noch viele staubige Kilometer erkunden dürfen.
Lieber Lenny, es war einfach eine schöne Zeit mit dir und deinen Eltern Claudia und Martin.
Liebe Grüsse aus Brasilien,
deine Black Lady
Hey ihr zwei!
Ich bin schon etwas neidisch, dass ihr immer noch unterwegs sein dürft und könnt. Genau heute habe ich wieder zu arbeiten begonnen – als Schulischer Heilpädagoge in Wil – aber nur zu 60%, ich brauche nach wie vor Zeit, um meine Reise zu verarbeiten. Momentan bin ich am Schneiden der Flossfilme, bei denen auch ihr eine kleine Nebenrolle innehabt! Jetzt ist dies doch schon tatsächlich ein Jahr her, seit wir uns getroffen haben.
Ich verfolge eure Reise immer wieder mal – und träume, ich bin bestimmt nicht das letzte Mal unterwegs gewesen.
Wie lange macht ihr noch?
Die nächsten Ziele?
Weiterhin viel Glück und Spass!
Urs
(und Grüsse an Lenny;-)
Lieber Sturzi
Schön von dir zu hören! Ja wir schätzen uns auch glücklich, das wir immer noch am reisen sind. Bald werden wir sogar deine Spuren auf dem Amazonas zurückverfolgen. Denn wir wollen von Belem nach Manaus mit dem Schiff… Auf deinen Film sind wir ja dann auch sehr gespannt!
Wir wünschen dir gutes einleben zuhause und verarbeiten der Reise. Und ich bin sicher, irgendwann gehst du auch wieder zurück auf die Strasse.
Häbs guet und härzlechi brasilianischi Grüess vo üs!