Heimweh analysieren
Wenn das Heimweh kommt…
Wir sind jetzt 14 Monate unterwegs am Reisen. Südamerika hat sich als toller Reisekontinent entpuppt. Wir haben extrem viel schönes und spannendes erlebt. Und auch ein paar weniger amüsante Erfahrungen gemacht. Doch die gehören halt genauso zum Reisen dazu und machen das Abenteuer spannend.
Doch manchmal – und in letzter Zeit öfters – plagt mich das Heimweh.
Aber was genau vermisse ich denn? Was gibt es denn schöneres als die Freiheit des Reisens?
Reisemüdigkeit
Also zum einen muss gesagt sein, dass Reisen auch anstrengend ist. Denn es sind keine Ferien! Es entsteht genauso ein Alltag wie zuhause. Klar, mit grösseren Freiheiten und weniger Zeitdruck. Dennoch gibt es immer etwas zu organisieren, einzukaufen, zu planen oder zu suchen (z.B. jeden Tag einen neuen Schlafplatz). Manchmal sehne ich mich dann nach der Bequemlichkeit und der Routine zuhause. Oder nach einem simplen Fernsehabend auf dem Sofa.
Und dann sind da noch so Sachen wie die sanitären Anlagen (betrachte dazu die Fotosammlung «das stille Örtchen»). Ach, wie freue ich mich auf meine Dusche zuhause, wo ich ohne Badeschlarpen rein kann und nicht überlegen muss, an welchem Haken ich mein Tuch aufhänge, ohne eine Bakterienzucht einzufangen. Oder die saubere Toilette und das gute dreilagige WC-Papier, wo nicht gleich der ganze Scheiss durchdrückt…
Diese Arten von Heimweh nenne ich Reisemüde. Es taucht erst nach einer längeren Zeit unterwegs auf, verschwindet dann wieder und kommt je länger je häufiger.
Familiäre Verbundenheit
Was ich auch vermisse ist meine Familie und unsere Freunde. Mal wieder meine Eltern umarmen und endlos lange Gespräche zusammen führen. Mich kulinarisch von meinem Vater und meinem Bruder verwöhnen lassen. Miterleben wie meine Nichte grösser wird, die Welt entdeckt und ihr Lachen zu hören. Aber auch sommerliche Grillparties und feuchtfröhliche Degustationsabende mit unsern Freunden fehlen mir. Man trifft zwar unterwegs immer wieder auf gute neue Reisefreunde. Sitzt zusammen am Feuer, philosophiert über die Welt und trinkt auf diese. Doch die Freunde zuhause ersetzen sie nur teilweise. Aber immerhin; einsam fühlten wir uns nie.
Wie sich aus Gesprächen mit vielen anderen reisenden Paaren herausstellt, ist dies offenbar eine Art von Heimweh, welche viel mehr Frauen betrifft. Es ist auch einer der Gründe, warum die Frauen häufiger und früher wieder nach Hause fliegen. Männer scheinen weniger darunter zu leiden und könnten laut eigener Aussage noch viel länger von zuhause wegbleiben.
Patriotische Gefühle
In Paraguay hat mich eine neue Art von Heimweh gepackt. Ich wurde da plötzlich mit meinen eigenen patriotischen Sympathien konfrontiert. Speziell in Rosaleda (siehe «hängengeblieben im Chaco»), aber auch sonst in Paraguay, leben viele ausgewanderte Schweizer und Deutsche. Da kommen dann häufig Diskussionen auf über all die schlechten Dinge in der Heimat. Da wird geschimpft über das System, die Politiker, die Ausländer und die Engstirnigkeit. Und das von Rentnern, welche sich dank unserem gut funktionierenden Sozialsystem und der politisch stabilen Wirtschaftslage ein schönes Leben in Paraguay machen können. Als Ausländer, welche teils kein Wort Spanisch sprechen und von den einheimischen Angestellten schweizerische Pünktlichkeit erwarten. Oder die, in Bayerischer Tracht gekleidet, deutsche Lederhosen verkaufen und dann am Stammtisch lauthals verkünden, dass sie auf Deutschland scheissen würden…
Da kommt bei mir echt die Galle hoch! Da werde ich plötzlich zum Patrioten und verteidige meine Heimat. Denn gerade beim Reisen durch Südamerika wurde mir immer bewusster, wie gut wir es in der Schweiz haben. Wie zuverlässig unser System funktioniert, was für eine gute Schulbildung wir erhalten, wie viel wir uns leisten können… Mir jedenfalls wurde dadurch sehr bewusst, was ich alles habe zuhause. Ich schätze das sehr und freue mich umso mehr auf die Heimkehr.
Rollenverteilung
Ein anderes Thema beschäftigt mich schon länger. Und zwar die Frage der Rollenverteilung auf Reisen. Ein sehr subtiles Thema, welches offenbar auch viele andere Frauen beschäftigt. Ich kann hier jedoch nur für mich sprechen.
Ich habe einen wunderbaren Mann! Er ist ein Alleskönner. Er fährt rassig über jede Offroadstrecke, meistert auch schwierige Situationen völlig gelassen und flickt dann noch selbst jeden Schaden am Auto, der unterwegs entsteht. Er ist ein guter Zuhörer und interessanter Gesprächspartner, der viel weiss und immer mit guten Tipps weiterhelfen kann. Er ist witzig und gesellig und hilfsbereit. Und als ob das noch nicht genug wäre: der Mann kocht und backt auch noch! So gewinnt er jedes Herz mit einem Kuchen oder einem Sonntagszopf. Was für ein toller Mann! Ich bin echt gesegnet! Und das wird mir auch regelmässig gesagt (obwohl ich das natürlich eh schon weiss und mich auch freue, es zu hören).
Doch hier fängt auch mein Problem an. Denn: Wer bin denn ich?! Einfach die nette Begleitperson…?
Zuhause hat sich für mich dieses Problem noch nie so heraus kristallisiert. Denn dort haben wir auch eigene Lebensräume, wo wir einzeln auftreten und beurteilt werden. Wo auch meine Stärken wahrgenommen werden und ich Anerkennung für meine Leistung bekomme. Doch hier leben wir so eng aufeinander, dass wir immer unmittelbar zusammen betrachtet und verglichen werden. Und das meist aufgrund eines kurzen Augenblicks. Da gehen meine Stärken und mein Beitrag an dieser Reise total unter und ich fühle mich als graue Maus neben meinem Mann. Wohlgemerkt; ich mache ihm dazu überhaupt keinen Vorwurf! Das ist weder sein Verschulden, noch möchte ich, dass er anders ist. Ich liebe ihn ja gerade deshalb.
Doch wie er selbst immer so schön sagt: «Wenn eine Frau kocht und backt, ist es selbstverständlich. Wenn es ein Mann tut, wird er dafür bewundert.» Und daraus ergibt sich dann eben dieses Problem, welches viele Frauen zu spüren bekommen. Will eine Frau dieselbe Bewunderung erhalten, so müsste sie eine wilde Fahrerin sein, zudem das Auto selbst reparieren und am besten auch alleine durch die Welt reisen. Es gibt diese Frauen. Doch es ist die Minderheit. Alle andern müssen für sich selbst einen Weg finden, wie sie damit umgehen.
Ich für meinen Teil stelle zweierlei fest. Zum einen habe ich gelernt, mit den Schultern zu zucken und zu lächeln. Denn das wichtigste für mich ist, dass mein Mann mich schätzt. Und er weiss, was ich alles kann und leiste und dass hinter jedem starken Mann eine starke Frau steht. Das zweite jedoch ist die Erkenntnis, dass ich mich ebenfalls nach Anerkennung von aussen sehne. Und dies wiederum schürt dann bei mir das Heimweh. Denn zuhause bin ich eine selbständige Frau. Ich habe einen Beruf in dem ich gut bin und wo ich geschätzt werde. Und ich habe Freunde und eine Familie, die mich länger und besser als ein paar Tage kennen und daher wissen, wer und wie ich bin.
Tja, mit solchen selbstreflektierenden Themen wird man beim Reisen halt konfrontiert. Doch bereichert wird man dafür mit immer mehr Selbstkenntnis.
Reisepläne
All diese Heimwehsorten haben mich in letzter Zeit geplagt. Und ich war kurz davor, nach Hause zu fliegen. Doch schlussendlich habe ich mich dagegen entschieden. Denn diese Art von Reise machen wir wohl nicht so schnell wieder. Und ich glaube, dass ich es bereue, wenn ich dieses Abenteuer jetzt abbrechen würde. Ich will diese Reise zusammen mit meinem Mann erleben und teilen. Und zwar von Anfang bis Schluss und durch alle Hochs und Tiefs.
Hey Caro
Sehr mutig und offen dieses Thema anzusprechen. Ich glaube es gibt viele Overlander(innen) denen es zwar auch so geht, die aber nicht den Mut haben, dies nach Aussen zuzugeben. Nein, sie wollen lieber alle ihre Freunde und Verwandten glauben machen, dass so ein „Reisli“ ein exklusives Abenteuer ist, welches nur echte Abenteurer so durchziehen. Klar es gibt die schon auch, die jahrelang durch die Welt tingeln und damit voll und ganz zufrieden sind, aber so viele sind es glaube ich nicht und hinter die Kulissen sieht man sowieso meist nicht.
Wie Du weisst, beenden wir unsere Reise nach über 2 Jahren in diesen Tagen und was immer Du gelistet hast gilt für uns fast ebenso.
Drum von mir einen grossen „Chapeau“
Liebe Grüsse und wir Beide hoffen auch nach eurer Heimkehr mal wieder zu Treffen und unser „oberflächliche Reisefreundschaft“ zu vertiefen
Die „Tortugas“
Lieber Ueli und liebe Myrta,
Vielen Dank für eure Worte!
Auch wir würden uns sehr freuen, unsere Bekanntschaft noch etwas zu vertiefen, welche ja doch immerhin auf einige gute Reisetage zusammen aufbaut. Es hat Spass gemacht mit euch! Wir wünschen euch eine pannenfreie Heimreise und dass ihr euch zuhause wieder gut einlebt.
Liebe Grüsse und auf eine weiterbestehende Freundschaft.
Du schribsch mr us em Härz Caro,i ha eifach nur gläse und gnickt, genau so isch es, au wenn ich i däm Sinn no kei Heiweh ha, dängg i sgliiche, vorallem zum Thema „nätti Begleitperson“ und natürlich au die Sach mit em stille Örtli, oder Privatsphäre ganz im Allgemeine 😉
Es grüsst und druggt di fescht
Céline us Buenos Aires
Liebi Celine,
I däm Fau wünsch i dir, dass di ds Heiweh no lang nid ihout und dass du Afrika in vouä Züg gniesse chasch. Ä feschte Drücker zrügg und i hoffe, mir wärde üs irgendwenn irgendwo wieder übere Wäg loufe.
Hallo Caro
Deine Worte haben mich sehr berührt. Ich war selber mit meinem Partner 23 Monate auf Reise und hatte genau die gleichen Gedanken, Emotionen immer wieder erlebt. Ich bin übrigends nach 14 Monate für eine Woche zurück in die Heimat geflogen. Beim Abflug habe ich meinem Partner versprochen, dass ich auf jeden Fall zurückkehre aber vielleicht nur um definitiv die Reise abzuschliessen. Aber es kam ganz anders. In dieser Woche habe ich gemerkt, dass zuhause noch alles da ist, die Freunde, die Familie, die Gesprächsthemen. Mir kam es vor, als sei ich nur zwei Wochen weg gewesen. Dieses Wissen, dass ich jederzeit wieder in die intakte Struktur meiner Familie und Freunde zurück kann, hat mir viel Energie fürs weiter reiesen gegeben. In meinen nächsten 9 Monaten war ich quasi vom Heimweh geheilt. Ich war damals froh, diesen Heimaturlaub gemacht zu haben. Ich habe das Privileg Reisen zu können und alle Freiheiten zu haben ganz neu erfahren.
Liebe Caro, ich hoffe dir helfen meine Gedanken etwas über dein Heimweh hinweg und wünsche dir viel Energie zum weiter reisen….
Liebe Kathrin,
Ja vielen Dank, deine Worte haben mir gut getan.
Ich werde jetzt versuchen, den Rest der Reise nochmals in vollen Zügen zu geniessen, in dem Wissen und der Hoffnung, dass zuhause alle(s) auf mich wartet. Und mich der Alltag wohl viel zu schnell wieder im Griff haben wird. 😆
Hey Caro
ich bin echt beeindruckt von deinen ehrlichen Worten…
Aber ich bin mir ischer, dass du nicht nur extrem spannende Berichte verfassen kannst, sondern
dass du auf dieser Reise immer wieder für gute Stimmung, wenn es mal nervig oder brenzlig war, gesorgt hast. Dies ist meiner Meinung nach ebenso wichtig wie kochen, Auto reparieren etc….
Wir starten unsere Reise im April 19. Ich freue mich extrem auf diese Reise, mit all ihren Fassetten. Und ich bin mir sicher, dass eben auch Heimweg, wie du es geschildert hast, dabei sein wird.
Ich habe deine Blogs regelmässig gelesen und muss dir ein riesen Kompliment für diese authentischen Inhalte geben. Da gab es Inhalt zum Lachen, Weinen und einfach nur Staunen.
Ich wünsche euch eine tolle Heimkehr in die, wie ich deiner Meinung bezüglich Patriotismus bin, einzigartige Schweiz
Lieber Gruss
Prisca
Liebe Prisca
Ich bin immer wieder erstaunt, wer so alles unseren Blog liest. 😄
Vielen Dank für deine lieben Worte und ich wünsche euch eine spannende Reise.
Wir sind seit gestern wieder zuhause in der schönen Schweiz.
Gruss Caro