Der Landy ist angekommen!

von 24. Juni 2017

Wir haben einen Fehler gemacht!

Bei der Verschiffung des eigenen Fahrzeugs stellen sich alle Reisenden die Frage: «Brauchen wir einen Agenten oder nicht?» Für mich stellt sich die Frage nie mehr. Doch fangen wir von vorne an. Rund zehn Monate vor dem eigentlichen Abreisedatum waren Caro und ich uns einig, wir wollen den Landy mittels Agenten nach Südamerika verschiffen. Wir schrieben verschiedene Anbieter an. Die einen antworteten bis heute nie, andere empfahlen uns eine Verschiffung nach Afrika «Der Transport ist viel günstiger als nach Südamerika!» (Hallo? Wir wollen nach Südamerika und nicht nach Afrika!), weitere wollten das Auto per RoRo (Roll on – Roll off) spedieren. Schlussendlich fanden wir in ITS-Transport Basel einen Agenten, welcher bei uns einen seriösen Eindruck hinterliess, wo der Preis stimmte und allgemein einfach ein gutes Bauchgefühl vorhanden war.

Am Tag der Abreise fuhren wir wie geplant um 08.00 Uhr in Basel im Hafen ein. Nach rund fünf Minuten fanden wir dann auch die Kontaktperson. Leider ging unser Leercontainer vergessen und so verzögerte sich der Belad etwas… Kann auch mal in der Schweiz passieren. Als dann der Container da war, ging alles ruckzuck. Landy in den Container fahren, Batterie abhängen, Auto verzurren, Container verschliessen und plombieren. Rund dreissig Minuten Arbeit und zwei Hafenmitarbeiter waren dazu nötig – so stellt man sich das als Schweizer vor. Frau Trächslin-Porres von ITS fuhr mit ihrem PW vor und transportierte uns kurzerhand nach Mulhouse auf den Airport, da es ihnen alles andere als recht war, dass unser Leercontainer nicht zeitgerecht geliefert wurde und wir jetzt etwas unter Zeitdruck waren. Vielen Dank für den super Service!

Vier Wochen später auf einem anderen Kontinent Planeten.

Enlace Caribe SAS ist der lokale Partner von ITS und ist bei allen Zollformalitäten behilflich.
Am Dienstag kam das Schiff im Hafen an und so trafen wir uns an diesem Tag zum ersten Mal im Büro von Enlace Caribe – ich bewaffnet mit allen möglichen und unmöglichen Farbkopien (Pass / Einreisestempel / Fahrzeugausweis / Führerausweis von beiden Fahrern).
Señora Sonia machte wie der Rest der Firma einen seriösen Eindruck und ich merkte schnell, diese Frau beschäftigt sich täglich mit Überseetransporten – ¡mui bien!
Von ITS und dem Carrier waren alle Papiere per Mail eingetroffen und so galt es diverse Unterschriften zu leisten, so dass Enlace in meinem Namen beim Zoll und Hafen vorstellig werden konnte. Dazu mussten wir an diesem ersten Tag noch kurz zur Hafenbehörde, damit vor Ort die Leute sahen, dass ich in meinem eigenen Willen eine Drittpartei beauftragte, die Formalitäten zu erledigen. Die Hafenbehörde hat bis 17.00 Uhr geöffnet und wir waren um ca. 16.05 Uhr vor Ort. Leider arbeitet der entsprechende Sachbearbeiter nur bis 16.00 Uhr und so war diese Unterschrift nicht möglich. In einer Behörde mit mehreren hundert Mitarbeitern ist nur eine (1!) Person berechtigt, meine Unterschrift zu bezeugen!?! So fuhren wir halt wieder zurück in die City und auf den nächsten Tag wurde ein neuer Termin vereinbart.

Mittwoch Morgens um 08.00 Uhr trafen Señora Sonia und ich uns wieder. Beiläufig schaute ich auf der Fahrt das Bill of Lading B/L (heiliges Frachtpapier!) an und musste merken, dass das schweizer Nummernschild und die Chassisnummer nicht mit der Realität übereinstimmen. Shit. Ich machte mich bemerkbar und dann brach einige Hektik aus. Während Enlace Caribe in Kolumbien ihr Glück versuchte, rief ich Herrn Bianco von ITS an. Sofort gingen Mails aus der Schweiz zum Carrier, ob es eine Möglichkeit gäbe, das B/L noch abzuändern. Doch Enlace Caribe war zu speditiv (die arbeiten wohl zu viel mit Schweizern zusammen 😉 und das original B/L wurde bereits am Vortag an die DIAN (Zollbehörde) weitergeleitet. Somit gab es keine Möglichkeit mehr das Dokument noch abzuändern. Unser Fehler war, dass wir zwei Monate vor Abreise noch das Nummernschild geändert hatten und vergassen, den neuen Fahrzeugausweis an ITS weiterzusenden – mea culpa!
Und so kam es, dass wir – nach der Fünfminutenunterschriftenzeremonie (siehe Dienstag 16.05 Uhr) bei der Hafenbehörde – zur DIAN gingen mit der so weit wie möglich ausgefüllten Importation Temporal de Vehiculo de Tourista. Um Eintritt zu erlangen musste ich meinen Reisepass zeigen und erhielt dafür einen Besucherbadge. Enlace Caribe wollte vor Ort eine Lösung finden, da wie beschrieben die wichtigsten Nummern im Frachtbrief nicht mit dem Fahrzeug übereinstimmten. Die nette Zöllnerin meinte, dies könne nicht sie entscheiden, dass müsse ihr Jefe absegnen und der sei heute nicht anwesend… OK, kennen wir ja schon. Um die Zeit zu nutzen gingen wir zur Fahrzeugversicherung.
Die SOAT ist zwar eine staatlich regulierte Versicherung, jedoch wird die von privaten Versicherungen ausgestellt. Die Damen waren extrem mit ihren Smartphones beschäftigt aber irgendwann war dann die Police ausgestellt. Leider stimmte mein Name nicht mit dem Namen auf dem Pass überein. Zähneknirschend musste die Dame nochmals (alles?) neu ausfüllen und ausdrucken. Der Name stimmte jetzt und so gingen wir zum Auto. Auf dem Weg las ich den Rest auch noch durch und musste feststellen, dass jetzt das falsche Nummernschild und eine falsche Chassisnummer aufgedruckt waren. (Es war ein einfacher Schreibfehler bei der Chassisnummer und hatte nichts mit dem B/L zu tun!) So gingen wir halt wieder zurück und teilten das den brutal beschäftigten Damen mit. Oh Wunder, in einer normalen Niederlassung sei es leider nicht möglich, mehr als zwei Fehler in einer Police zu korrigieren. Das könne nur die Spezialabteilung in Bogotá und die sei gerade mit Mittagessen beschäftigt. Somit war es nicht absehbar, dass ich an diesem Tag noch eine obligatorische Fahzeughaftpflichtversicherung erhalten würde oder am Zoll irgendwas geklärt würde und so ging ich halt am Nachmittag wieder mal in die Schule Spanisch lernen.

Am Donnerstag Morgen ging es um 08.30 Uhr weiter. Zuerst mussten Señora Sonia und ich auf ein Notariat. Es musste noch notariell beglaubigt werden, dass zum einen Enlace Caribe mich vertreten durfte und zum andern offiziell in der Schweiz das Nummernschild gewechselt wurde. Dazu genügt in Kolumbien keine Unterschrift, nein, ich durfte zum ersten Mal in meinem Leben mit meinem Fingerabdruck unterzeichnen!
Weiter ging es zur DIAN um den Termin für die Autoinspektion abzumachen und vielleicht war ja der Chef da. Jawohl der Jefe war anwesend. Er meinte aber, er könne das nicht entscheiden, das müsse er seinen Jefe (sozusagen «Jefejefe») fragen und der sei gerade beschäftigt. Wir sollen das Importformular hier lassen, er schaue das dann an. Ok, immerhin einen halben Schritt weiter.
Also weiter zum lokalen Büro des Carriers, dort musste eine Rechnung bezahlt werden. Die Dame war äusserst unkooperativ und meinte nur, wir hätten die falschen Formulare für den privaten Import eines Containers. Enlace Caribe klärte das intern ab und beharrte darauf, dass alle Formulare richtig seien. Da Enlace Caribe im Hafen von Cartagena täglich zu tun hat, kannte man dann auch eine Person eine Etage höher (wortwörtlich). Diese nette junge Dame beschied uns dann auch, dass wir die richtigen Formulare hätten…
So ging es dann wieder eine Etage runter, jedoch war in der Zwischenzeit 11.10 Uhr und um 11.00 Uhr macht das Zahlbüro zu. Shit! Wir hatten Glück und ein anderer Kunde kam aus der Tür heraus. Schwups, hatte ich meinen Fuss zwischen Tür und Rahmen und so gingen wir halt doch nochmals vor der dreistündigen Mittagspause zur entsprechenden Sachbearbeiterin. Irgendwelche Kraftausdrücke und die richtigen Namen wurden in den Raum geworfen und plötzlich war innert fünf Minuten alles erledigt. Die Formulare waren halt doch die richtigen.
Wieder mal ging es zur DIAN, vielleicht war ja jetzt alles klar bezüglich falscher Autonummer. Da es nach dem Mittag war, brauchte ich meinen Pass nicht mehr zeigen und ein Besucherausweis ist ja sowieso überflüssig…  Der Jefejefe hatte die Änderungen gegenüber dem Bill of Lading akzeptiert. Juhee!
Mit der quittierten Rechnung vom Carrier ging es dann wieder zur Hafenbehörde, wo etwas diskutiert wurde. Irgendwann war dann auch mir klar, dass es heute definitiv nichts mehr mit dem Containerauslad werden würde, also musste der Termin mit dem Zoll verschoben werden (was auf wunderbare weise per Telefon ging).

Am Freitag Morgen trafen wir uns dann wieder. Zusammen fuhren wir zur DIAN, wo die nette Zöllnerin einstieg, um gemeinsam zum Hafengelände zu fahren. Unterwegs zeigte sie mir schon das unterzeichnete und gestempelte Importformular – war das wirklich schon alles offiziell abgesegnet? In das Hafenareal durfte ich dann nur mit der Zöllnerin alleine. Für die Mitarbeiter von Enlace Caribe gibt es aus versicherungstechnischen Gründen keine Möglichkeit hineinzugelangen. So gingen die Zöllnerin und ich dann mit langen Hosen, geschlossenen Schuhen, oranger Weste und Helm bewaffnet zum entsprechenden Mitarbeiter, welcher uns zeigte, wo der Container lag. Zwei weitere Mitarbeiter kamen, öffneten die Plombe und den Container und versuchten den Landy von seinen Fesseln zu befreien. Nach zehn Minuten waren sie immer noch mit dem festgenagelten Kantholz beschäftigt. Ich wollte helfen was ich aber nicht durfte, dies sei zu gefährlich… Nach weiteren zehn ergebnislosen Minuten bot ich dann an, den Landy über das Kantholz nach draussen zu fahren, was dann auch akzeptiert wurde. Kurz die Batterie angehängt und schwups, war ich aus dem Container draussen 😉
Die Zöllnerin hatte sich innert Sekunden in unser Auto verliebt und so war nach der Chassisnummer-Kontrolle auch schon die ganze Zollarbeit vollendet. Es gab noch einige Fotos und dann durfte die nette Dame mit mir zusammen auf den Parkplatz fahren. Freude herrschte aber nicht lange. Auf dem Parkplatz innerhalb des Hafenareals sagte mir dann der Hafenmitarbeiter, es müssen noch Rechnungen bezahlt werden, bevor ich rausfahren dürfte. Hä? Ich solle doch den Schlüssel abgeben. Ha, ganz sicher nicht, dann hätten wir ja auch mit RoRo verschiffen können. Zähneknirschend musste ich den Landy stehen lassen und wieder zu Fuss aus dem Hafen rausmarschieren. Wieder ging es mit Enlace Caribe und der Zolldame zurück in die Stadt, bei DIAN vorbei (Zöllnerin verabschiedet) und weiter zur Hafenbehörde.
Tatsächlich musste noch eine Rechnung bezahlt werden. Anscheinend war das erst jetzt möglich da ich zuerst anerkennen musste, dass meine Ware ohne Makel im Hafen abgeladen wurde… Zehn Minuten später war die Rechnung ausgedruckt und musste im Raum nebenan beglichen werden (so richtig Oldschool mit Buchungsaufruck auf der Originalrechnung). Es war zehn vor Zwölf. Der Buchungsstempel wurde vom Hafenbürosachbearbeiter akzeptiert. Jetzt fehle nur noch eine Rechnung aber er habe jetzt Mittagspause. Wie bitte? Eine Diskussion war nicht möglich und so gingen halt auch wir etwas essen. Pünktlich um 13.00 Uhr waren wir wieder bei der Hafenbehörde. Fünf Minuten brauchte derselbe Sachbearbeiter, dann verschwand er für zehn Minuten (ich bin sicher, er musste nur kurz auf die Toilette, wofür die Mittagspause zu kostbar war) und nach weiteren drei Minuten Arbeit war die letzte Rechnung ausgedruckt,  im Raum daneben bezahlt und akzeptiert. Ein Telefon in den Hafen brachte dann die Klarheit, dass der entsprechende Mitarbeiter erst zum 15.00 Uhr wieder Zeit für uns hätte und so blieb uns nichts anderes übrig als zu warten. Aber stopp, etwas fehlte ja noch.
Die Haftpflichtversicherungspolice hatte ich ja noch gar nicht physisch in Händen. Ich wusste zwar, dass alles in Ordnung sei, jedoch las ich bei anderen Reisenden, dass die Polizei teilweise direkt vor der Hafenausfahrt kontrolliert… Und so fuhren wir halt wieder mal bei der SOAT vorbei. Die Chassisnummer und das Nummernschild stimmten jetzt, jedoch war der Name wieder mal falsch geschrieben. Mir reichte es, ich heisse jetzt halt Hafliger, nicht Häfliger oder Haefliger, wie es im Pass steht (bis jetzt hat das noch kein Polizist bemerkt).
Pünktlich um 15.00 stand ich wieder beim Landy im Hafen aber weit und breit war kein Hafenmitarbeiter sichtbar. Ich hatte ja den Schlüssel, also stieg ich ein und fuhr zum Ausgang. Zwischen allen grossen Lastwagen war unser Landy richtig klein. Der Sicherheitsmann fragte mich nach dem Ausfuhrschein. Ich zeigte ihm das Zollformular und die Rechnungsquittung. Nein, nein, ich bräuchte einen Ausfuhrschein! Nach einem Telefonanruf ging es dann mit dem Landy und Blinklichtbegleitfahrzeug wieder zurück zum Importparkplatz. Der Hafenmitarbeiter vom Morgen war plötzlich wieder anwesend und nahm meine Rechnungsquittung in Empfang, verschwand für zehn Minuten irgendwo und kam dann mit dem Ausfuhrschein wieder. Endlich durfte ich offiziell aus dem Hafen fahren – der Sicherheitsmann hatte plötzlich Freude an meinem Papier.
Was für ein Gefühl, mit dem eigenen Auto auf einer offiziellen kolumbianischen Strasse zu stehen! Ab ging es in die Millionenmetropole.

So. Ganz zu Beginn schrieb ich, für mich stelle sich die Frage nach einem Agenten nie mehr. Klar ist es machbar die Formulare selber auszufüllen und die Behörden-Volten zu absolvieren. Sobald es aber ein Problem gibt, man nicht absolut fliessend die Sprache spricht und die richtigen Leute kennt wird es nur noch zum Spiessrutenlauf. Ohne ITS-Transport und Enlace Caribe würde ich bestimmt heute noch im Hafen festsitzen.